dc.description.abstract | Die hier veroffentlichte Amphora (T a f. 78a-b, 86b) ist ein Zufallsfund aus dem Dorf
Perissaauf der Insel Thera; sie gibt sich nach Form und Dekoration sogleich als typisches
Beispiel der " Linearen Gattung ” unter den inselionischen Amphoren zu erkennen. Dafiir
sprechen der kugelige Gefasskorper, der breite, offene Hals, der konische Fuss und die
Gliederung der Oberflache in eine breite Zone oben und Streifen unten. Die Schulterzone
der Hauptseite unserer Amphora tragt die Darstellung von zwei antithetischen weidenden
Pferden; zwischen ihren Beinen sind einige geometrische Ornamente eingestreut. Die
Schulterzone der Riickseite ist in zwei Metopen geteilt, die jeweils einen Vogel zeigen.
Unsere Untersuchung der " Linearen Gattung ” der inselionischen Amphoren zum
Zwecke der Zeitbestimmung des neugefundenen Gefasses aus Perissa hat drei Gruppen,
die zugleich drei Werkstatten entsprechen, erkennen lassen. Hauptmerkmale der Amphoren
der ersten Gruppe (A, s. S. 115) sind der fast zylindrische Hals, der fast unbewegte Korper
mit seinen lockeren Konturen und die schwache Gliederung zwischen Hals und Schulter.
Die zwei altesten Beispiele sind Pfuhl J1 und Thera II Nr. 6 (T a f. 79a-b, 80a-b) und miissen
als Werke desselben Topfers und Malers angesehen werden. Die Amphoren der zweiten
Gruppe (B, s. S. 116) erstrecken sichiiber einen kleineren Zeitraum als die der ersten.
Der Korper dieser Gefasse entwickelt sich von einem sehr kleinen Fuss aus und zeigt
klare Trennungen an Hals und Fuss; die Einheit zwischen Form und Dekoration ist hier
grosser. Die Amphoren der dritten Gruppe (G, s. S. 116) unterscheiden sich von den vorigen
Gruppen durch ihre klare spharische Form und ihren kelchformigen Hals; im Ganzen
sind diese Gefasse denen der zweiten Gruppe gleichzeitig. Die Amphora aus Perissa gehort
der dritten Gruppe an und muss das alteste Gefass dieser Werkstatt sein. Dies wird
begriindet hauptsachlich durch die Form ihres Korpers und Halses, der den subgeometrischen
Amphoren der “besonderenGruppe” Pfuhls (AM 28(1903), S. 187, Beil.XXX2-4)
ahnlich ist.
Die Abhangigkeit der Perissa-Amphora von der spatgeometrischen Tradition zeigt
noch klarer die Dekoration am Hals und unteren Gefasskorper, da ihre Muster auf den
Amphoren der Gruppen Ab-Delos (Delos XV, Taf. XV-XVI, 1-8) und der “besonderen
Gruppe” Pfuhls wiederkehren. Die Amphoren dieser Gruppen sind von denen der Gruppen
Abl und Ab2 zu trennen, deren unmittelbare Fortsetzung in der orientalisierenden
Epoche die Amphora aus Perissa darstellt. Die ubrigen Amphoren der Gruppe Ab-Delos
und die der " besonderen Gruppe ” Pfuhls miissen als subgeometrisch angesprochen werden,
weil sie die Auflosung des Hauptmerkmals der Amphoren Abl und Ab2 zeigen, das
heisst das allmahliche Zuriicktreten der schwarzen Farbe vor der Hellen des Tons. Der
subgeometrische Charakter dieser Gefasse tritt klarer an der Amphora J14 und der
Miinchner Amphora (Taf. 83a-b) hervor, die Werke desselben Malers sind. Abgesehen
vom geometrischen Charakter der dekorativen Ornamente lasst sich auch die tjbernahme einiger dieser aus einer naxischen Werkstatt nachweisen, z.B. der ausgefiillten hangenden
Dreiecke und die Punkttagendereihe.
Im Gegensatz zu den spatgeometrischen Elementen der Ornamentik fiihrt die Darstellung
der Hauptansicht durch die Wiedergabe der Pferdegestalten sowie ihre Stellung im
Bildstreifen (Metope) in die orientalisierende Epoche. Die Vorstufen dieser Anordnung,
die bei Ab-Delos und der "besonderen Gruppe” Pfuhls unbekannt ist, ist auf drei Gefassen
aus dem naxischen Kreis zu finden: Amphora Berlin 3901 (Taf. 85a) attischer Herkunft
trotz der zweifellos kykladischen Einflusse, bisher unverofifentlichter Krater im
Nationalmuseum 842 (Taf. 84a-b) und Krater Cambridge (T af. 86a). Dieser kann seiner
grossen Ahnlichkeit mit der Amphora 02 (Pfuhl, AM 28 (1903) Beil. XXXVII) wegen
nicht von der Gruppe O Pfuhls abgetrennt werden. Die Art der Zeichnung aber, die die
Pferde der Perissa erfiillt, ist nur auf Werken der "Linearen Gattung” nachweisbar: der
Oinochoe im British Museum (Bocci, Studi Miscellanei 2, Taf. IX-X) und der Amphora
in Stockholm (ibid. Taf. XII j ).
Die Datierung der Amphora aus Perissa zwischen 710-700 kann so wo hi durch Vergleiche
der Pferdedarstellung mit alteren auf naxischen und samischen Scherben (Delos
XV, Taf. 54 und AM 58 (1933) Taf. I, 1 und Beil. 28,5-6) wie mit jiingeren der Gruppe
Ad (Delos XV, Taf. XX f.) in Mykonos gestiitzt werden. Sie wird weiter gesichert durch
parallele Beispiele aus der attischen und korinthischen Vasenmalerei.
Fur die Frage der Lokalisierung der "Linearen Gattung” bietet die Amphora aus
Perissa leider keine neuen Anhaltspunkte, denn sie ist ein Einzelfund. Das Ergebnis der
Untersuchung der Amphora aus Perissa beschrankt sich somit auf die Bestatigung vorhandener
Beziehungen zwischen der ' Linearen Gattung” und der naxischen einerseits und
auf ihre Herkunft aus einer Werkstatt der Amphoren Ab-Delos, der der "besonderen
Gruppe” Pfuhls, der "Linearen Gattung” und der Amphoren der Gruppe C von Delos
andererseits. | de |